Coden wie ein Mädchen

28.10.2022 · 4 min Lesezeit

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AUTOR:IN

Florentine Draeger

Frontend Engineer

Coden wie ein Mädchen, Foto: dkjs/Lena Ohsiek

Der Frauenanteil in MINT Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) liegt in Deutschland mit 17 Prozent weit unter dem weltweiten Durchschnitt (Anger, Kohlisch & Plünnecke, 2021; Bundesagentur für Arbeit, 2019). Zum Vergleich: in den USA liegt dieser Wert bei fast 50 Prozent. Und auch im Informatik-Hörsaal sind Frauen mit 25 Prozent weiterhin unterrepräsentiert. Dies hat vielfältige Gründe.

Zum einen wird Mädchen auch im Jahr 2022 durch Medien, Eltern und die Verbreitung von stereotypischen Rollenbildern suggeriert, dass ihnen die Voraussetzungen für ein erfolgreiches MINT Studium fehlen, sodass sie ihre Fähigkeiten trotz guter Noten in naturwissenschaftlichen Fächern oft unterschätzen. (Sage und schreibe jedes vierte Mädchen ist davon überzeugt, dass Jungen in MINT Fächern prinzipiell begabter sind.) Zum anderen fehlt es in der IT schlicht und ergreifend an weiblichen Vorbildern. Auch hier liegt der Frauenanteil bei lediglich 19 Prozent. Es ist folglich sehr unwahrscheinlich, eine Frau aus der IT Branche im direkten Umfeld zu haben.

Auch ich war, bevor ich mich für den Weg in die IT entschieden habe, trotz guter Noten im naturwissenschaftlichen Abi Profil, nie auf den Gedanken gekommen, mich mit Coding und Computer Science auseinander zu setzen, geschweige denn, es zu meinem Beruf zu machen. Das änderte sich, als ich eine Bekannte von mir auf Instagram sah, die Informatik studierte und sich entschieden hatte, an einem Coding Bootcamp teilzunehmen. Durch ihr Vorbild inspiriert, ergriff ich die Chance und meldete mich kurze Zeit später selbst bei dem Bootcamp an.

Durch das Coding Bootcamp entdeckte ich mein Interesse für IT. Es öffnete mir Türen in eine Branche, derer Privilegien ich mir jeden Tag bewusst bin. Umso wichtiger ist es mir, die Barrieren in diesem Berufsfeld abzubauen und anderen Mädchen und Frauen zu zeigen, dass auch sie in der IT einen Platz haben.

Mit diesem Wunsch bin ich natürlich nicht alleine. Es gibt inzwischen großartige Programme, die Mädchen für Coding begeistern und ihnen technische Skills vermitteln. Eins dieser Programme ist Technovation Girls Germany, ein gemeinsames Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der US-amerikanischen Non-Profit- Organisation Technovation. Hier beschäftigen sich Mädchen zwischen 10 und 18 Jahren mit sozialen und ökologischen Herausforderungen und entwickeln in kleinen Gruppen eigenständig eine App, die diese Herausforderung angeht. Dabei stehen ihnen ein ausgeklügeltes Curriculum, eine wöchentliche Coding Sprechstunde sowie Mentor:innen zur Seite. Das jährliche Technovation Programm wird durch ein „Kick-off Camp“ eingeleitet. Vier Tage lang können die Mädchen an verschiedenen Workshops teilnehmen, gemeinsam App Ideen entwickeln, Designs erstellen, Programmier Basics ergründen und Kreativmethoden austesten. Sie lernen sich kennen und bekommen so einen Einblick in das Curriculum.

Als ich gefragt wurde, ob ich Lust hätte, das Programm als Mentorin zu unterstützen, war mein Interesse groß. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob ich mir eine ehrenamtliche Tätigkeit neben meiner 40 Stunden Woche zutraute. Zum Glück stieß mein Vorschlag, die Mentorinnen Rolle im Rahmen meiner Arbeitszeit auszuüben, bei Protofy nicht nur auf großen Zuspruch, es setzte auch einen Austausch unter Kolleg:innen in Gang, welche soziale Vision wir bei Protofy teilen und welche Maßnahmen wir ergreifen wollen, um diese zu verwirklichen. In den kommenden Monaten werden meine Kollegin Kristin und ich den Mädchen ein paar Stunden die Woche als Mentorin zur Seite stehen. Ob beim Filmen eines Pitch-Videos für ihre App, bei der Erstellung eines Businessplans oder beim Anbinden einer API, das Programm ist breit gefächert. Neben Coding werden auch Business- und Marketing-Aspekte vermittelt. Das Ergebnis kann ab Mai bei der internationalen Technovation Challenge eingereicht werden.

Im Rahmen des diesjährigen Camps durfte ich einen Workshop zu Alltagsalgorithmen geben. Mit den neun Mädchen, die an meinem Workshop teilgenommen haben, beschrieben wir Algorithmen wie Telefonieren oder Zähneputzen, zerpflückten diese in Schleifen, Abzweigungen und Aktionen, bauten sie als Flussdiagramm wieder zusammen und codeten einen ersten Computer-Algorithmus in Scratch, einer Programmiersprache die dem Baukastenprinzip folgt. Aufgaben, welche die Mädchen mit Begeisterung und Leichtigkeit lösten.

Als ich am Ende der 90 Minuten noch von Ada Lovelace erzählen wollte und ihr Foto an die Wand projizierte, kam mir eine Teilnehmerin zuvor: „Das ist Ada Lovelace, die erste Computer-Programmiererin der Welt.“ Damit hatte ich nicht gerechnet! Ich musste 28 Jahre alt werden, um von Ada Lovelace, Margarete Hamilton und anderen Software Pionierinnen zu hören. Dabei haben Frauen in der Vergangenheit einen immensen Beitrag zu unseren Errungenschaften in der Softwareentwicklung beigetragen. Dass es bei den Mädchen von Technovation Girls Germany nicht so lange gedauert hat, macht mich glücklich und lässt mich hoffen, dass die deutsche IT Branche in Zukunft mehr weibliche Unterstützung bekommt. Denn die können wir dringend gebrauchen.

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