Wie Stadtsalat.de nach 4 Tagen seinen ersten Kunden belieferte

20.02.2015 · 4 min Lesezeit

Blog

AUTOR:IN

Moritz Mann

Gründer, Protofy und STADTSALAT

STADTSALAT Webshop 2015

An einem Spätsommerabend 2014 haben wir uns mit einem spontanen Einfall und motiviert durch vier Argumente dazu entschieden, einen Salatlieferservice ins Leben zu rufen.

Erstens, der Markt für Lieferservices boomt. Wir sind überrascht, dass in einer Zeit, in der Ernährungsbewusstsein für viele Menschen immer wichtiger wird, fast niemand gesundes Essen liefert. Pizza, Burger und Fastfood sind weit verbreitet, frische und gesunde Gerichte hingegen kaum. Zweitens, nach 2 Jahren Arbeit an einem rein digitalen Produkt (Feelgood) mit langer Erfüllungszeit — eine Ernährungs- und Fitnessapp findet digital statt und benötigt mindestens einige Wochen, um reale Mehrwerte, z.B. einen Gewichtsverlust, zu erreichen — hatten wir Lust auf etwas handfestes mit unmittelbarer Erfüllungskette. Salat wird bestellt, geliefert, schmeckt und macht satt. Im Idealfall dauert diese Kette 30–45 Minuten. Drittens, wir sehnten uns nach einem technisch unkomplexen, schnell umsetzbaren Produkt. Und viertens, wir liebten die Salatbar um die Ecke.

Von der Idee zum Prototyp

Uns war wichtig, die Idee des Salatlieferservices zunächst zu testen, bevor wir ein größeres Investment machen würden. Prototyping und schnell an den Markt, dann hören, was die ersten Kunden sagen und daraus lernen. Make, Show, Learn.

Schnell bedeutete für uns: wir können innerhalb von Tagen, nicht Wochen oder Monaten an den Markt gehen.

Das erfordert Kompromisse — überall!

Regel #1: Keine Zeit für Branding!

Wir haben uns innerhalb von Minuten für einen Namen entschieden. Wir wissen, wie viel Zeit man mit Zielgruppenforschung, Positionierungs- und Kreations-Workshops verbringen kann. Diese Zeit wollten wir uns nicht erlauben.

Wir sind überzeugt, dass jedes Start-up innerhalb der ersten Monate mit nur sehr wenig Markenwertverlust umbenannt werden kann — also warum nicht mit einem Marken-Provisiorium starten? Es war gerade die Top-Level-Domain .hamburg gestartet, also sicherten wir uns www.salat.hamburg. Fertig. Ebenso starteten wir ohne Logo und ohne Claim. Ein Mangelhaftes Branding. Doch immerhin sagte die Domain schon was wir anbieten und wohin wir liefern.

Regel #2: No-Frills User-Interface

Das Konzept für den STADTSALAT-Prototyp

So schnell uns die Idee kam, so schnell wollten wir auch mit der Umsetzung beginnen. Im ersten Schritt skizzierten wir den User Flow am Whiteboard; ausreichend detailliert, dass der Umsetzungs-Hackathon losgehen konnte. Parallel erstellten wir ein ganz, ganz, ganz einfaches Design in Sketch für die benötigten Screens und Fälle.

Der Prototyp des STADTSALAT Webshops

Hübsch ist es nicht geworden. Auch hier galt “Mut zur Lücke” und wir wussten, dass viel Luft nach oben ist. Wir wussten auch, dass das Einsparen eines professionellen Designs mit farbenfrohen, emotionalen Bildern bedeuten würde, dass wir schlechter konvertieren würden. War auch so.

Entscheidend ist auch, dass das Konzept der ersten Wireframes ohnehin nicht bestehen bleiben würde — zu viel lernt man schon in den ersten Tests, was alle Annahmen neu bestimmt.

Regel #3: Die Website darf nichts können!

…außer den direktesten Weg von Landing Page zum “Jetzt bestellen”-Button abbilden. Wir verzichteten auf alles, was nicht unbedingt notwendig war, um den ersten Salat zu verkaufen. User Accounts, Online Payment, alles Luxusfeatures, die zu viel Zeit gekostet hätten. Landing Page, Postleitzahl-Abfrage, Zutaten wählen, Adresse eingeben — und per Barzahlung kassieren. Mehr brauchten wir nicht.

Regel #4: In der Supply-Chain kooperieren, improvisieren und selbst machen!

Wo kommen die Salate überhaupt her, wie funktioniert die interne Abstimmung und wie kommt der Salat zum Kunden? Wir waren doch eigentlich ein Digitalunternehmen, keine Gastronomen!

Wie eingangs erwähnt, gab es diese Salatbar um die Ecke, die wir so mochten. Anstatt große Hürden wie Lieferantenauswahl, Kühlkette, Gesundheitsamt, etc. zu überwinden, fragten wir einfach mal nett nach, ob eine Kooperation möglich sei. Und siehe da — Glück gehört auch dazu — der Salat konnte einfach aus einer bestehenden Infrastruktur bezogen werden. Damit lässt sich längst keine Marge abgreifen, es zählte nur: schaffen wir es, Salate zum Kunden zu bringen und wie wird das Feedback sein?

Improvisiert geht die Lieferkette weiter: die Bestellbenachrichtigung geht per Hubot-Benachrichtigung in den internen Chat. Ein Gründer überwacht den Chat und benachrichtigt die Küche — gleichzeitig setzt sich der andere Gründer aufs Rad, düst zur Küche und fährt anschließend zum Kunden.

Das hat einen sehr charmanten Nebeneffekt: du hast automatisch direkten Kontakt zum Endkunden und erfährst, wie Verpackung, Produktqualität, Liefergeschwindigkeit in Augen des Kunden abschneiden.

Regel #5: Marketing ist experimentell

Wir hatten keinen Marketing-Plan, Conversion-Annahmen. Wir haben Google Adwords geschaltet; hat nicht funktioniert. Wir haben Facebook Ads platziert; hat mittelmäßig funktioniert. Wir haben Flyer verteilt — ging gut!

Diese Erfahrung bestimmt tatsächlich bis heute noch den Marketing-Mix von Stadtsalat.de, auch wenn einige neue Disziplinen hinzugekommen sind.

Fazit: Jede Idee ist prototypisch testbar: Protofy

Hatten wir Glück, dass unsere Idee technisch überschaubar und damit schnell umsetzbar ist? Technisch gesehen vielleicht. Der erste Webshop brauchte nicht viel. Gleichzeitig muss eine vollständige Supply Chain kreiert und vermarktet werden. Unsere Lehre ist, dass alles prototypisch behandelt werden kann — die Marke, das digitale Produkt, die Vermarktung, die Lieferantenkette.

Wir glauben auch: Selbst Hardware kann prototypisch getestet werden. Oder gerade Hardware? Letztlich ist jede Idee abstrahierbar und damit bereits in einem frühen Stadium testbar.

In einem schönen Talk zeigt uns Apple, wie prototypische Entwicklung für Hardware funktionieren kann.

Diese eine Woche, in der du losrennst, stolperst, weiter rennst ist ungemein wichtig. Sie bringt dich in Kontakt mit dem Livegeschäft, mit dem Kunden und macht dich smarter about everything.

“A week from now, you’ll be smarter about everything — about what your users want, how to monetize it, the expectations of your investors,”

Tom Conrad
CTO bei Pandora

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