OpenAI, Microsoft und Perplexity setzen auf KI-Sidebars – doch ist das wirklich der richtige Weg?
Gestern hat OpenAI den Browser Atlas vorgestellt – einen neuen Versuch, KI direkt in unser digitales Alltagswerkzeug einzubetten. Atlas will, was derzeit viele versuchen: eine KI-Sidebar, die mitliest, versteht, kontextualisiert und auf Knopfdruck hilft. Microsoft nennt es Copilot, Brave hat seine KI-Assistants, Perplexity hat das Interface gleich ganz in einen Browser verwandelt. Und mit Atlas betritt nun OpenAI das Spielfeld.
Das alles wirkt nicht nur auf den ersten Blick: erstaunlich ähnlich.


Das Zeitalter der Sidebars
Wenn wir uns die aktuellen Entwicklungen anschauen, scheint es, als hätten sich die großen Player auf eine Zwischenlösung geeinigt. KI als Sidebar, eine digitale Beifahrerin, die nebenherläuft. Praktisch, kontrollierbar, integrierbar. Sie ist nicht das Produkt, sondern die Schicht daneben.
Aber ist das wirklich die Zukunft, die wir uns mit KI erarbeiten wollten?
Der Gedanke erinnert an die ersten Mobile Apps, die Webseiten einfach auf kleinerem Bildschirm abbildeten. Es war eine Brücke in eine neue Zeit – aber keine Zukunftsvision. Heute stehen wir an einem ähnlichen Punkt. Die Sidebar ist die Brücke. Doch was liegt dahinter?
Wenn KI mehr weiß, als wir sehen
Die eigentliche Kraft von KI liegt nicht im Beantworten von Fragen. Sie liegt in der Antizipation: in der Fähigkeit, aus Kontext, Intention und Verlauf zu erkennen, was als Nächstes wichtig wird.
Eine gute KI sollte nicht aufgerufen werden müssen, sie sollte wirken. Unsichtbar. Reibungslos. Als Teil des Produkts, nicht als Fremdkörper daneben.
Das gilt für Browser genauso wie für jede andere digitale Anwendung. Wir müssen anfangen, Produkte so zu denken, als wäre KI keine Zusatzfunktion, sondern eine Grundanforderung für Relevanz, Personalisierung und Experience.
Kontext: Warum die Großen auf die Sidebar setzen
Dass OpenAI mit Atlas, Microsoft mit Copilot oder Perplexity mit Comet auf Sidebars setzen, ist kein Zufall. Diese Player operieren auf der Ebene der Infrastruktur – sie wollen das Web als Ganzes neu strukturieren, Datenzugänge schaffen, Kontexte verstehen und Nutzungsverhalten lernen. Für sie ist die Sidebar ein strategisches Werkzeug: ein neuer Zugang zum Nutzer, ein Interface zur Datensammlung, ein Marktanteil im wieder aufflammenden Browser-War.
Und das ist legitim. Aus dieser Perspektive ist die Sidebar ein Weg, die Kontrolle über Informationsflüsse zurückzuerobern und den Nutzer*innen eine neue Art von Zugang zu Wissen zu bieten. Doch sie bleibt eine externe Schicht. Ein Layer, der das bestehende Web klüger macht, nicht unbedingt die Produkte darin.
Von der Sidebar zum unsichtbaren Layer
Wenn wir in Protofy über KI in Produkten sprechen, dann denken wir nicht an Assistenten, sondern an Systemintelligenz. An eine Schicht, die versteht, wie Nutzer*innen Ziele erreichen wollen und Wege antizipiert, sie dort hinzuführen. Das kann ein Interface sein, das sich dynamisch anpasst, ein Onboarding, das sich selbst lernt, oder ein Produkt, das „weiß“, wann es zur Seite treten muss.
Kurz gesagt: KI sollte nicht sichtbar integriert, sondern unsichtbar verwoben sein – als natürlicher Bestandteil des Produkts. Die Sidebar ist dabei nur eine Zwischenphase, ein technisches Geländer, bis wir Produkte so denken, dass KI von Beginn an in ihrer Architektur steckt.
Unsere Perspektive: Produktgestaltung von innen heraus
Als Produktgestaltende stehen wir auf der anderen Seite des Fensters. Wir entwickeln nicht die Infrastruktur, sondern die Erlebnisse, die darauf aufbauen. Während die Großen an der Sidebar des Browsers arbeiten, sind wir im linken Fenster – dort, wo das Produkt lebt, wo Menschen ihre Ziele erreichen, Entscheidungen treffen, Werte erfahren.
Deshalb ist es unsere Aufgabe, nicht dieselbe Bewegung zu wiederholen. Wir sollten nicht – wie einst bei den Chatbots – einfach ein KI-Feature an die Seite hängen, nur weil es technisch möglich ist. Wir müssen stattdessen dafür sorgen, dass unsere Produkte selbst intelligenter, adaptiver und kontextueller werden. Dass sie verstehen, anstatt nur zu antworten.
Denn wenn wir KI als unsichtbare Intelligenz in die Architektur unserer Produkte verweben, dann wird sie nicht zum Zusatz. Sie wird zum Kern der Experience. Genau dort entsteht die Zukunft digitaler Produkte.
Der leise Layer
Die Zukunft liegt nicht in Fenstern neben Fenstern, sondern in einer neuen Art, wie Produkte denken. KI als unsichtbarer Layer. Kein Feature, kein Add-on, sondern eine kognitive Architektur, die unsere Interaktion mit Software grundlegend neu definiert.
Wenn Atlas heute die Sidebar perfektioniert, ist das genau der Moment, in dem wir begreifen sollten: Das Ziel liegt nicht neben dem Produkt. Sondern darunter.